Konzept zur Haltung und zum pädagogischen Einsatz von Ponys am Steinadlerweg

1. Veränderung der Entwicklungsbedingungen bei Kindern

2. Möglichkeiten des Ausgleichs von Entwicklungsdefiziten durch den Umgang mit dem Pferd in der Schule

2.1 Bewegungserziehung

2.2 Wahrnehmungserziehung

2.3 Erweiterung der Lebenserfahrung

2.4 Fachlernen im Sach- und Biologieunterricht

3. Der Einsatz von Pferden in unserer Schule

3.1 Bereits praktizierter Einsatz

3.1.1 Betreuung unserer Schulponys durch SchülerInnen

3.1.2 Betreuung von Schülern mit Problemen im Wahrnehmungsbereich

3.1.3 Einsatz unserer Schulponys im Wahlpflichtbereich

3.1.4 Reiten im Rahmen von Schulprojekten

3.2 Konzipierter Einsatz von Pferden im Unterricht

3.2.1 Regelmäßiger Umgang und Reiten mit unseren Schulponys

3.2.2 Reiten im Rahmen von Klassenfahrten

3.2.3 Ankopplung an einen Reitverein

4. Voraussetzungen für einen erweiterten Einsatz von Pferden in unserer Schule

4.1 Erstellung eines Reitplatzes

4.2 Ausreichende Lehrerarbeitszeit

4.3 Finanzierung


1. Veränderung der Entwicklungsbedingungen bei Kindern

Seit ca. 50 Jahren zeigt sich ein gravierender Wandel in den Lebensbedingungen unserer Kinder, der automatisch Auswirkungen auf das Bewegungsleben nach sich zieht (siehe: Bannmüller, .E: Elementare Bewegungserziehung). Durch die Hochentwicklung und den Ausbau der Gerätewelt sind vielseitige und abwechslungsreiche körperliche Leistungen nicht mehr nötig. Als ein Beispiel seien die modernen Verkehrsmittel genannt, die ohne körperliche Bewegung einen raschen örtlichen Wechsel ermöglichen.

Durch die geringer gewordenen Bewegungsanforderungen treten einseitige Funktionsbeanspruchungen auf: Wir sitzen mehr als wir gehen! Es ist eine Verarmung der Bewegungsnotwendigkeiten eingetreten, die zu Gesundheitsproblemen wie Dickleibigkeit, Herz-Kreislauf-Dysfunktionen, Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen geführt haben. Doch noch problematischer ist die Reduzierung der Wahrnehmungsfähigkeit, die oft sogar als abgestumpft zu bezeichnen ist. Leistungsanforderungen, die heutzutage an Kinder und Jugendliche gestellt werden, lassen körperliche Tätigkeiten und Erfahrungen weitestgehend außen vor, so dass Kinder und Jugendliche kaum noch „lebendig fühlbare gestaltete Beziehungen zur sozialen und dinglichen Umwelt aufbauen“ (Kükelhaus, H.: Entfaltung der Sinne).

Dazu kommt, dass die vor 50 Jahren übliche „Straßenspielkultur“ besonders im städtischen Bereich ihr Ende gefunden hat, da die wohnungsnahen Räume in zunehmendem Maße bebaut werden. Der typische Aufenthaltsraum der Kinder ist ihr Zimmer, das seinen Reiz durch die üppige Ausstattung mit Spielzeugen, Fernsehgerät, Musikanlage und Computer gewinnt. Diese Geräte führen in vielen Fällen dazu, dass das Kind keine eigenen realen Erfahrungen mehr macht, sondern diese auf Knopfdruck „aus zweiter Hand“ erhält: Das eigene Erfahren der Wirklichkeit wird durch eine künstliche – von außen herangetragene Weltkonstruktion ersetzt.

Dabei ist auf der anderen Seite zu beobachten (vgl. Kleine: Entwöhnen wir unseren Kindern die Bewegung?), dass Kinder sich nach Bewegung, Spiel und Sport sehnen und lieber mit Altersgenossen und Eltern spielen würden, als vor dem Fernsehgerät zu sitzen.

2. Möglichkeiten des Ausgleichs von Entwicklungsdefiziten durch den Umgang mit dem Pferd in der Schule

Für eine gesunde psychomotorische Entwicklung muss das Kind ein Grundrepertoire an Bewegungsmustern entwickeln. Dazu gehören das Laufen, Springen, Werfen, Klettern, Balancieren und Schwingen. Der Rahmenplan Sport setzt im Lernfeld „Körper“ dieses Grundrepertoire bereits voraus. Er will im Schulsport die Möglichkeit schaffen, die eigene Wahrnehmungs- und Orientierungsfähigkeit, Empfindungs- und Ausdrucksfähigkeit, Bewegungs- und Leistungsfähigkeit zu erweitern (Bildungsplan Grundschule, Rahmenplan Sport, S. 11). Fahrrad fahren und Schwimmen gehören am Ende der Grundschulzeit mittlerweile zu selbstverständlichen Kulturtechniken. Im Rahmenplan Sport für die Sekundarstufe I werden die o.g. Fähigkeiten bereits in erheblichem Maße vorausgesetzt.

2.1 Bewegungserziehung

Wie oben beschrieben, haben jedoch viele Kinder grundlegende Defizite in ihrer Bewegungsentwicklung. Gleichgewichtsstörungen spielen hier eine zentrale Rolle, da sie zwangsläufig Defizite in allen anderen sensorischen Bereichen nach sich ziehen (vgl. A.J. Ayres, Bausteine der kindlichen Entwicklung, 1984, S. 97 ff.). Das Sitzen auf dem Pferd bietet vielfältige Bewegungserfahrungen und damit die Möglichkeit Defizite auszugleichen:

  • Experimentieren mit dem dynamischen Gleichgewicht, was ein hohes Maß an Koordinationsfähigkeit fordert

  • Vollziehen feiner Ausgleichsbewegungen und damit

  • Entwickeln einer Bewegungselastizität im Becken, die die oft unterentwickelte Muskulatur in diesem Bereich stärkt

  • Sensibilisieren der eigenen Körperwahrnehmung im Zusammenspiel mit der Bewegung des Pferdes in verschiedenen Gangarten

  • Bewegen im Einklang mit dem Rhythmus, den das Pferd vorgibt (harmonischer Gesamtrhythmus)

  • Wahrnehmen der Wechselwirkung zwischen den eigenen Bewegungen als Reiter und denen des Pferdes

2.2 Wahrnehmungserziehung

Viele Kinder und Jugendliche leiden unter mangelnder Sensibilität bezüglich ihrer Bewegungswahrnehmung. Sie bewegen sich daher oft eckig, unkoordiniert und mechanisch. Das Sitzen auf dem Pferd (und später das Reiten) im Schulsport fordert und fördert die Bewegungswahrnehmung. Es stellt dabei das Sich-Bewegen in den Vordergrund. Dabei geht es um:

    • Die Entwicklung eines Gefühls für die eigenen Bewegungen

    • Das Umsetzen einer Absicht in Bezug auf die Bewegung des Pferdes durch selbstbestimmte Bewegungshandlungen

    • Koordinieren von Mehrfachhandlungen (viele Bewegungsabläufe geschehen im selben Augenblick)

    • Veränderung der Raumwahrnehmung vom Rücken des Pferdes aus und damit das Erfahren eines neuen Gefühls für Raum-Zeit-Verläufe (gemäß der Gangart des Pferdes)

    • Wahrnehmen des Pferdes als eigenständiges Wesen mit spezifischen eigenen Wahrnehmungen, die sich von denen des Menschen unterscheiden

2.3 Erweiterung der Lebenserfahrung

Der Umgang mit den Schulponys ist immer auch soziales Lernen. Die Kinder erleben:

  • Wichtige Dinge über die Bedürfnisse der Tiere (Fütterung, Pferdehaltung und Pflege, Bewegungsdrang der Tiere, ihr Verhalten untereinander, Krankheiten etc.)

  • In der Gruppe die Notwendigkeit selbst zu kooperieren, Absprachen zu treffen, sich auf andere zu verlassen und selbst verlässlich zu sein

  • Verantwortungsvollen Umgang mit Material und Ausrüstung

  • Die Übernahme von Erziehungsverantwortung und den Zusammenhang von Konsequenz und Erziehungserfolg im Umgang mit den Ponys

  • Eine Stärkung ihres Selbstbewusstseins und ein Überwinden von Angst – wichtige Voraussetzungen für angemessenes Sozialverhalten

2.4 Fachlernen im Sach- und Biologieunterricht

Die Haltung von Ponys auf dem Schulgelände bietet vielfältige Möglichkeiten für das handlungsbezogene projektorientierte Lernen, z.B. durch

  • Beteiligung an der Fütterung (Was ist „richtiges“ Pferdefutter?)

  • Ausführung von Arbeiten im Stall und im Paddock (Ausmisten, Pferdeäpfel aufsammeln)

  • Übernahme von Pflegearbeiten (Fell- und Hufpflege)

  • Miterleben des Beshandelns durch den Hufschmied

  • Beobachten und Deuten des Verhaltens der Tiere untereinander

  • Kennenlernen der Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen Mensch und Pferd

  • Erarbeiten eines exemplarischen Steckbriefs mit eigenen Fotos

  • Herausfinden von entwicklungsgeschichtlich begründeten Verhaltensweisen der Tiere und ihrer ursprünglichen, natürlichen Lebensweise

  • Erfragen der Bedeutung des Pferdes in der Entwicklungsgeschichte des Menschen

  • Hinterfragen der Rolle des Pferdes als „Sportgerät“

3. Der Einsatz von Pferden in unserer Schule

3.1 Bereits praktizierter Einsatz

3.1.1 Betreuung unserer Schulponys durch Schüler/innen

Nach dem Ausfüllen einer Bewerbung als Ponypfleger/in werden durch die Mitglieder der Pony – AG und Herrn Harder, der als Hausmeister, gemeinsam mit seiner Frau, die Mitverantwortung für die Ponys übernommen hat, geeignete Bewerber ausgesucht. Aus dem Kreis dieser Bewerber werden, nach persönlichen Gesprächen, neun Schüler/innen ausgewählt, die als Haupt- und Ersatzpferdepfleger/innen nach einem festen Arbeitsplan ihren Dienst verrichten. Dieser Dienst findet in den Pausen, außerhalb des Unterrichts und nach Einsatzplan auch in den Ferienzeiten statt. Die Schüler/innen erhalten Einführungen in ihre Tätigkeiten und den Umgang mit den Ponys. In einem wöchentlich stattfindenden Gespräch werden anstehende Fragen besprochen. Ziel ist es, dass die Schüler/innen ihr selbst erworbenes Wissen an andere Schüler/innen weitergeben und damit eine regelmäßige Betreuung und Versorgung unserer Ponys gewährleistet ist.

3.1.2 Betreuung von Schülern mit Problemen im Wahrnehmungsbereich

Wie unter I bereits ausgeführt, haben sich die Entwicklungsbedingungen von Kindern deutlich verschlechtert, besonders auch im Bereich der Wahrnehmung. Viele Erfahrungen werden von Kindern nicht mehr in unmittelbarer Auseinandersetzung erworben und führen dadurch zu defizitärer Wahrnehmung. Durch das Reiten und den Umgang mit dem Pferd werden nicht nur Bewegungsempfinden und Konzentration positiv beeinflusst, sondern es geht auch um die soziale Beziehung zu einem anderen Lebewesen, die hier erlernt werden kann. Den Klassenlehrern/innen wurde deshalb ein Angebot gemacht, entsprechend bedürftige Schüler/innen mit Elternerlaubnis einmal wöchentlich, parallel zum Unterricht für eine Stunde, zu betreuen. Zur Zeit werden acht Schüler/innen auf diese Weise betreut.

3.1.3 Einsatz unserer Schulponys im Wahlpflichtbereich der Grundschule

Die Schüler/innen der vierten Klassen können sich für den Wahlpflichtkurs „Rund um das Pony“ entscheiden. Dreimal im Jahr wechseln die Gruppen, so dass viele Kinder den beliebten Kurs besuchen dürfen.

In einer wöchentlichen Zeitstunde beschäftigen sich die Kinder mit dem Thema Pferd. Dazu dürfen die Viertklässler eigene Materialien, wie Bücher, Spiele, CDs etc. mitbringen. Alles wird vorgestellt und gegebenenfalls in den Unterricht mit einbezogen. Sachinformationen werden besprochen und in einer eigenen Mappe gesammelt. Weiterhin bereichern den Unterricht Lieder, Basteleien und Knobelaufgaben rund um das Pferd.

Im Mittelpunkt des Kurses stehen jedoch die Schulponys! Die Schüler/innen freuen sich über alle praktischen Tätigkeiten mit dem Pferd. Hier können sie ihr Wissen anwenden, erweitern und vertiefen. Es bereitet ihnen Freude, die Ponys zu putzen, zu führen und zu füttern. Den Höhepunkt des Kurses bildet für viele Kinder das geführte Reiten. Diesen körperlichen Kontakt zum Pferd erleben sie als etwas Besonderes in ihrem Leben.

3.1.4 Reiten im Rahmen von Schulprojekten

Schülern kann in diesem Zusammenhang ein umfangreicheres, fächerübergreifendes Angebot gemacht werden, um ihr praktisches und theoretisches Wissen zu erweitern und die Vorteile des Umgangs mit dem Pferd und die Bewegungsmöglichkeiten zu vertiefen.

Diese Veranstaltungen finden nicht nur im Zusammenhang mit den Schulponys statt, sondern, mit Blick auch auf die älteren Schüler/innen, auch durch Reitmöglichkeiten in einem Verein der Umgebung.

3.2 Konzipierter Einsatz von Pferden im Unterricht

3.2.1 Regelmäßiger Umgang und Reiten mit unseren Schulponys

Vermehrt sollten unsere Schüler/innen die Gelegenheit haben zu reiten oder mit den Ponys unter Anleitung zu arbeiten. Diese erworbenen Fähigkeiten sollen sie dann an andere weitergeben.

Auch für die artgerechte Haltung der Ponys ist es dringend erforderlich ihnen ein größeres Maß an Bewegung und Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

3.2.2 Reiten im Rahmen von Klassenfahrten

Bei einer Klassenfahrt kommt in erhöhtem Maße noch die Möglichkeit des Reitens in der Natur hinzu, die den Schülern eine völlig neue Lern- und Bewegungssituation ermöglicht.

3.2.3 Ankopplung an einen Reitverein

Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit einem ausgewählten Reitverein soll auch älteren Schülern/innen die Möglichkeit gegeben werden das Reiten zu erlernen, denn unsere Schulponys sind nur bis 50 kg Körpergewicht belastbar. Das Interesse am Reiten ist aber auch über das Grundschulalter hinaus recht groß und könnte als alternative Sportart unter Umständen in den Sportwahlbereich aufgenommen werden. Auch wäre eine Zusammenarbeit im Bereich des therapeutischen Reitens denkbar, wenn sich genügend Eltern finden, die ihre Kinder auf diese Weise gesundheitlich unterstützen möchten. Eine Kontaktaufnahme mit Krankenkassen, eventuell mit Hilfe der HAG, könnte klären, ob eine vollständige oder teilweise Kostenübernahme denkbar wäre.

4. Voraussetzungen für einen erweiterten Einsatz vonPferden in unserer Schule

4.1 Erstellung eines Reitplatzes

Um ein entspanntes und sicheres Reiten der Schüler/innen zu ermöglichen, sollte so schnell wie möglich ein entsprechender Reitplatz geschaffen werden.

4.2 Ausreichende Lehrerarbeitszeit

Für eine verbesserte Betreuung, sowohl der Schüler/innen als auch der Ponys, müsste den betreuenden Lehrkräften mehr Arbeitszeit zur Verfügung gestellt werden.

4.3 Finanzierung

Die Grundkosten der Ponyhaltung werden vom Schulverein getragen. Für die Erstellung eines dringend benötigten Reitplatzes sollte eine zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit gesucht werden.

Erarbeitet vom AK Ponykonzept 2005

Von der Schulkonferenz am 28.02.2006 einstimmig angenommen

Zusatz vom 23.03.2015

– Im Rahmen des Betreuens und Förderns werden inzwischen 18 Schüler/innen betreut.

– Der Wahlpflichtbereich umfasst mittlerweile die 3. und 4. Klassen mit jeweils 90 Minuten pro Woche.

– Ein Reitplatz wurde inzwischen in Eigeninitiative mit Elternhilfe erstellt.

– Eine Anbindung an eine Kooperation mit einem Reitverein im Rahmen des Ganztagsangebots wird versucht.

Die Schule unterhält die Ponys und alles was damit zusammenhängt aus eigenem Etat. Leider haben die Zahlungen und Spenden an den Schulverein in den letzten Jahren erheblich abgenommen. Nur durch zusätzliche Spenden oder Sponsoren können wir unsere Ponys langfristig weiter finanzieren!